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Zeitschrift "Vernissage"

Aus der Zeitschrift „Vernissage“ 1/98
Die Künstlerin Marina Seiller Nedkoff:
„Eine einzige, lange, Reise“

Marina Seiller Nedkoff ist mit ihren Bildern und Skulpturen international erfolgreich, obwohl diese Arbeiten weder gefällig noch leicht zu verstehen sind. In der Wiener Galerie am Salzgries stellt sie nun zum ersten Mal ausschließlich Skulpturen aus.

 „Das Formen des menschlichen Körpers, Momente und Spuren in Körpersprache, Ausdruck von Freud und Leid sind ihre Themen. Und sie will es genau wissen. Sie öffnet den Körper, reißt ihn auf, gleichsam um dem Betrachter zu zeigen, “schau her, wie´s da drinnen aussieht“, aber auch, um dem Wesen des Leides und des Schmerzes auf die Spur zu kommen, um zu erkennen, was hinter der leidenden Miene, der Fassade steckt“. – so beschreibt Prof. Nick Titz, Leiter von UNESCO- Burgenland, die Arbeiten der in der Steiermark geborenen Marina Seiller Nedkoff.

Die Zeichen- und Malleidenschaft, die schon ihre Kindheit beherrschte, führte zum Studium an beiden Wiener Akademien (bei den Professoren Kortan und Unger), einem Abschluß als akademische Restauratorin, dem Entschluß, als freie Malerin zu arbeiten und letztendlich seit 1971 zu einem regen Ausstellungsbetrieb. Im Jahr 1988 wurde sie als Mitglied des Wiener Künstlerhauses aufgenommen.

Jahrelang war die Feder das wichtigste Medium für Seiller Nedkoff, um sich auszudrücken (wodurch sie lernte, diszipliniert zu arbeiten), später kam dann die Farbe dazu. Um die Mitte der 70er Jahre entstanden – im altmeisterlicher Lasiertechnik – die ersten Ölbilder. Die starren Zwänge dieser Technik wurden aber schon bald durch freiere Malweisen und der Verbindung aller möglichen Materialien und Techniken ersetzt.

Gezeigt wurden und werden ihre Arbeiten bei zahlreichen österreichischen Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen, in der Schweiz (Tan-Gallery und Kongresshaus Zürich), Belgien (Galerie Mots & Tableaux) und Deutschland (Frankfurt, Wiesbaden, Mainz, Pocking). Im Frühjahr 1988 waren die Bilder von Seiller Nedkoff bei der Wiener Architektengruppe Achamer, Tritthart & Partner (auch eine Art von Kultur-Sponsoring) und die Skulpturen in der Galerie am Salzgries zu sehen. „Sie ist Gespielin, Gattin, Mutter, Begleiterin, ein Wesen, das eigene, ihr gehörende Temperamente und Charaktere hat und ausspielen will, die aber durch ihre Rollen in der Gesellschaft sich immer wieder anpassen muß und angepasst wird. Eingeschnürt in die Alltagszwänge wird sie als Mumie dargestellt, ernsthaft ihr Wesen sehen und erfassen blickt sie in den toten Spiegel. In manchen Bildern zeigt sich ein Ausbruchswille aus diesem anerzogenen Rollenverhalten – energisch werden die Arme hochgerissen, der Körper bäumt sich auf um dann wieder auf die Knie zu fallen – knieend versucht sie weiterzukämpfen“. (Titz)

Neben diesem Bereich war die Beschäftigung mit der Literatur immer eine weitere wichtige Möglichkeit für Seiller Nedkoff, sich auszudrücken. So entstanden Gemeinschaftsarbeiten mit Schriftstellern wie György Sébéstyén (in Österreich) und Jo Schulz-Vobach (in Deutschland). Für den Wiener Frauenverlag illustrierte sie mehrere Bücher.

„Die Künstlerin ist sehr von ihren momentanen Gedankengängen und ihren Empfindungen in ihrem Schaffen abhängig. Das spricht auch ganz für die ungeheure Dynamik der Bilder. Ein figurales Bild ist nun einmal eine Momentaufnahme, die zu einem bestimmten Zeitpunkt eines physischen – und psychischen – seelischen Zustandes entsteht“. (Titz)

Die unendlich zarten und zugleich überaus ausdrucksvollen Figuren – zwischen zehn Zentimeter und einem halben Meter groß – werden aus Ton geformt, gebrannt und dann mit verschiedenen Materialien „gefasst“ (gefärbt), wodurch manchmal der Eindruck einer Bronze- oder Eisenplastik entsteht. Ein noch verfremdender Eindruck entsteht oft dadurch, dass diese Skulpturen aus Ytong oder Granitsteinen herauszuwachsen scheinen oder mit Glaskugeln gefüllt sind.

Sosehr zwischen Bildern und Skulpturen von Seiller Nedkoff beim ersten Betrachten Dikrepanzen zu sein scheinen, beim intensiveren Beschäftigen mit den Arbeiten zeigt sich eine klare, kontinuierliche Entwicklung. Wohin diese führen wird, bleibt spannend. Schon 1988, beim Vorwort zu einem Werkkatalog schrieb Marina Seiller Nedkoff:

„Und trotzdem befinde ich mich auf einer einzigen, langen Reise, die vor fünfzehn Jahren begonnen hat und deren Ziel ich noch nicht kenne“.

Autor
Marina
Datum
02. Mai 2015
gelesen
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